Donnerstag, 23. Oktober 2008

Zwischen den Stühlen

Als ich im Kindergarten war, hatte ich Angst vor einem Spiel.

Das Spiel geht so: Angenommen, es sind 10 Kinder, dann werden 9 Stühle aneinandergereiht (Rücken an Rücken). Eine Musik läuft, die Kinder müssen um die Stühle herumlaufen bis jemand die Musik ausschaltet. Dann muss sich jeder so schnell wie möglich auf einen Stuhl setzen. Einer bekommt keinen Stuhl mehr und scheidet aus. Dann wird ein Stuhl entfernt, die Musik geht an, die Kinder laufen wieder um die Stühle herum und wenn die Musik ausgeht, findet wieder einer keinen Platz und scheidet aus. Bis nur noch ein Stuhl übrig ist und der Gewinner übrig bleibt.

Um die Pointe vorweg zu nehmen: Diejenigen, die den Stühlen nachrennen, sind diejenigen, die später das Falsche studieren, sich mit den falschen Menschen umgeben, die falschen Partner heiraten, die falschen Hobbies pflegen, die falschen Dinge denken und wie ferngesteuert den richtigen Wegen ausweichen. Manche rennen 40 oder 50 Jahre hinter den Stühlen her, bis sie merken, dass der Stuhl, auf dem sie sitzen, ihnen nicht gehört. Und wenn sie dann zwischen den Stühlen landen, verstehen sie die Welt nicht mehr, sind enttäuscht, beleidigt und verzweifelt. Und dann? Was dann?

Es gibt nur wenige Glückliche, die sich von Anfang an weigern, das Spiel mitzuspielen. Vielleicht sind es 2%. Vielleicht 1%. Oder sind es noch weniger? Wahrscheinlich. Das sind diejenigen, die in der Ruhe der Nichtachtung früh ihren eigenen Ort suchen mussten und ihn wahrscheinlich früh fanden.

Ich gehöre leider auch zu denjenigen, die - wenn auch mit schlechtem Gefühl dabei - sich um die Stühle gestritten haben. Wer sich einmal daran gewöhnt hat, tut sich mit dem Abgewöhnen schwer. Und die verplemperte Lebenszeit ist unwiederbringlich verloren.
Aber es gibt immer wieder Gelegenheiten auszusteigen. Denn, wie Döbereiner sagt, die richtigen Wege zweigen von den falschen ab. Hier ein bisschen aussteigen, dort ein bisschen aussteigen, und nach ein paar Jahren schaut alles schon ganz anders aus. (Aber die Jahre können ganz schön lang und hart werden...)

Wie geht es Dir? Bist du schon ausgestiegen? Sitzt du auf einem Stuhl, und bequem? Rennst du um die Stühle herum? Hast du Angst, dass plötzlich das Licht ausgeht und die Musik verstummt? Bist du darauf vorbereitet?

Eines ist sicher. Nur im Vakuum zwischen den Stühlen wächst die Fülle heran.

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