Freitag, 3. Oktober 2008

Chicken or Egg?

Do you know which came first, the chicken or the egg?

Answer:

A chicken is an egg´s way of making another egg.

***

So ähnlich ist es auch mit der Geschichte die ich schreibe. Das Drama von Leo, dem störrischen Osterei.

Über Jahre hinweg hat mich immer wieder ein inneres Bild verfolgt. Ich stellte mir ein Ei vor, wie es milliardenfach auf dieser Welt vorkommt. Wie geht es ihm?
Angenommen das Ei könnte hören und denken. Angenommen es könnte spüren. Angenommen, es könnte sich Gedanken machen, was um es herum vor sich geht. Angenommen, es würde erfahren, dass milliarden Eier getötet werden, bevor sie überhaupt die Chance haben zu leben. Angenommen, es würde erfahren, dass milliarden Hühner ihr ganzes Leben lang nicht mehr Platz zum Leben hätten als eine A4-Seite? Dass die Hühner milliardenfach als Legemaschine missbraucht werden? Dass sie keine Chance auf ihren Ursprung und ihre Bestimmung haben? Angenommen, das Ei würde all das wissen und könnte doch nicht reagieren, nicht weglaufen, nicht schreien, nicht reden oder sonstwie handeln? Angenommen niemand würde es hören. Angenommen, dem Ei würde eingeredet werden, dass all das doch gar nicht wahr wäre. Dass die Welt gut und schön wäre und dass es sich all dies nur einbildete? Würde das Ei daran glauben und lieber die Augen und Ohren zumachen? Würde es sich entscheiden, blind und stumm zu bleiben?
Oder würde es sich gegen die äusseren Einflüsse entscheiden und darum kämpfen, das eigene Leben zu bekommen?

Ich habe dieses innere Bild vergessen. Dann habe ich versucht, es zu artikulieren. Ich habe es gespürt, aber es beschreiben konnte ich nicht. Dann habe ich das Bild verdrängt. Ich habe es gehasst, weil es mir die Zeit gestohlen hat, die ich besser für wichtige Dinge verwendet hätte. Ich habe mich dafür geschämt. Welch eine kindische Geschichte! Ich sollte lieber eine vernünftige Geschichte schreiben, die sich zum Bestseller eignet. Warum nicht über einen virilen Helden, welcher futuristische Waffen besitzt, der den Bösewicht in einem furiosen Kampf besiegt, der über das Schicksal der Erde und der Menschheit bestimmt, gespickt mit Mord, Sex und Supergau? Warum nicht einen Kriminalroman, der in jede Schublade passt? Warum unbedingt dieses blöde Ei, dieses dämliche Küken, dieser lästige Vogel?

Erst nach Jahren kam der entscheidende Durchbruch. Das war der Übergang von der Impression zur Expression. Der Übergang von der Schwangerschaft zur Geburt. Der Schritt vom Aufnehmen zum Abgeben. Anstatt das Empfinden des Ei´s zu beschreiben habe ich begonnen, dessen Umfeld zu beschreiben. Gibt es noch andere Eier? Wo lebt es? Gibt es Menschen? Ein Mädchen kam dazu. Kelly. Dann noch eines. Ellie. Erwachsene. Eine Farm. Ein Veterinärmediziner, ein Journalist, ein Politiker. Noch ein Politiker. Eine Intrige. Ein Skandal. Eine Liebe. Ein Tod. Wo spielt sich alles ab? In welcher Zeit, in der Gegenwart, Vergangenheit, Zukunft?

Vielleicht, wenn die Geschichte fertig ist, mag sie andere Menschen erreichen, und in den Köpfen und Herzen dieser Menschen das Bild eines Ei´s verankern, das so ist wie ich es gespürt habe. Vielleicht ist ein Buch und sein Autor nur das Werkzeug eines inneren Bildes.
Dann stimmt der Satz: "A chicken is an egg´s way of making another egg."

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